Der transgenerationelle Felddifferenzierungsansatz

Edition Psychotherapie und Zeitgeschichte

Moderne Erziehung zur Hörigkeit?

Die Tradierung strukturell-faschistischer Phänomene in der evolutionären Psychologieentwicklung und auf dem spirituellen Psychomarkt.
Ein Beitrag zur zeitgeschichtlichen Introjektforschung in drei Bänden.


3. 1. Der transgenerationelle Felddifferenzierungsansatz

Um die gesichteten feldkonzeptionellen, feldsozialen und feldpraxeologischen Strukturtypologien (Vordergrund) der feldspezifischen Sozialisationsprozesse auf der gegenwartsgeschichtlichen Zeitachse im vordergrund-/ hintergrundorientierten Feldbezug sichten zu können, wurden vier Felddifferenzierungen vorgenommen, welche die Vordergrund-Hintergrund-Feldbezugnahmen im Vierfelderansatz hinter einander anordnen (Band 3, S. 11 - 21).

Hierfür erscheint hinter dem
  1. gegenwartsgeschichtlichen Gesellschaftsfeldbezug
  2. der soziale Feld- und Rollenfeldbezug, dahinter
  3. der (primäre / sekundäre) Sozialisationsfeldbezug sowie der subkulturell beeinflussende Projektfeldbezug und dahinter
  4. der interpersonale, psychologisch fokussierte Sozialisationsfeldbezug.
Diese vier sozialisatorisch relevanten Felddimensionen dienen der Felddifferenzierung im gesellschaftshistorischen Zeitachsenbezug.
Sie kontextualisieren die tiefen- und entwicklungspsychologischen sowie die sozialisationsgeschichtlichen Strukturperspektiven im gegenstandsverankerten Feldvordergrund- und Hintergrundbezug.

Daneben ermöglichen sie wegen ihrer sozialen Feld- bzw. Rollenfeldbezugnahme, ihrer primären (familiären) sowie sekundären Sozialisationsfeldbezugnahme und wegen ihrer interpersonalen und deshalb tiefenpsychologischen Sozialisationsfeldbezugnahmen auch den Blick auf die Gründer der untersuchten Feldprojekte.
Dies rückt deren entwicklungswegbedingten und paradigmenwechselbezogenen, sozialisatorischen Handlungs- und Interessenbezug in den Vordergrund-Hintergrundbezug der beiden Zeitachsen.


Dies ist notwendig, um projektspezifische und zugleich transgenerationelle Tradierungsphänomene untersuchen zu können. Dies lag z. B. wegen des tradierungsrelevanten biographischen Hintergrunds des Gründers der Initiatischen Therapie, Graf Dürckheim, für das Rütte-Projekt nahe.
Der bei Dürckheim im sozialisationsspezifischen Dreigenerationenfeldkontext biographisch aufscheinende
  • zunächst familiär konstellierte "monarchisch gralsgnostische" und "konservativ revolutionäre",
  • dann wissenschaftsgeschichtlich konstellierte "völkisch-gestaltordnungs- bzw. völkisch-gestaltpsychologische" und
  • schließlich spirituell-politisch konstellierte "arisch-nationalsozialistische"
Tradierungs-/Ideologiebildungsstruktur- und Paradigmenwechselbezug ließ seinen "initiatisch-psychologischen New-Age-Paradigmenwechselbezug im zeitachsenbezogenen gesellschaftssystemischen Hintergrundkontext und so tradierungsorientiert ausloten.

Diese Auslotungsperspektive verwies auf die Vielfalt der für die Beschaffenheit des untersuchten Bewusstseinsbildungs- und Tradierungsphänomens verantwortlichen "Herausbildungs- und Fundamentschichten". Diese wurden über einen biographischen und zugleich gesellschaftssystemischen (auf beiden Zeitachsen) jedoch stets (gründer)entwicklungsspezifischen "Segmentschnitt" sichtbar. Dass hierfür insgesamt alle vier Feldebenen aussagekräftig wurden und dieses Potenzial auch noch die tiefenpsychologische Strukturperspektive auf politisch irrationalistische Abwehrstrukturen vertiefte, konnte am Rütte-Feldbeispiel am deutlichsten aufgezeigt werden (Band 2, S. 155 - 313; verkürzt in Band 3, S. 516 - 527).
An Dürckheims Initiatischer Therapie konnte auch untersucht werden,
  • ob die Konzepte, Praxeologien bzw. Feldstrukturphänomene (Rütte) noch etwas aus dem evolutionär-psychologischen, -pädagogischen und -spirituellen Fundus konservieren bzw. aufrecht erhalten, der einst von der NS-Ideologie, von der Dürckheim einst so begeistert war (Wehr), stark beeinflusst war und
  • welche Aus- bzw. Weitergestaltungsformen darauf verwiesen.

Der Sichtungsbezug auf potenziell strukturell-faschistische Tradierungsphänomene implizierte die Annahme, dass nicht nur Projektgründer nicht verarbeitete Identifikationsverluste so bewältigen, dass sie die verloren gegangenen Sinn- und Wertkontingente mehr oder weniger bewusst sozialisatorisch weitertradieren (narzisstischer und identifikatorischer Kontinuumerhalt). Damit wird angenommen, dass bis heute noch immer zahlreiche Menschen, deren Identitätsbildung von der NS-Ideologie nachhaltig beeinflusst wurde, in den sozialisatorischen Mehrgenerationenfeldern Einfluss auf die nachfolgenden Generationen nehmen, ohne dass sich hierzu bis dato ein begriffliches Instrumentarium für die Wahrnehmung struktureller Tradierungsphänomene und damit eine angemessene Ebene der Reflexion herausgebildet hätte.
Es gibt lediglich ein Spektrum psychoanalytischer Arbeiten über die pathologischen Folgen von Holocaust und NS-Diktatur, das sich auf die Opfer, die Überlebenden und deren Kindern bezieht aber auch auf die Täter und Mitläufer und deren Kinder. Auf deren Ergebnisse und Begriffe konnte diese Studie zurückgreifen (Eckstaedt, Kohut, Kestenberg, Jukovy, Rosenkötter, Bar-On, Straub, Hardtmann etc.). In der Gestalttherapie wird auf einige dieser Arbeiten unter Vorbehalt verwiesen (Lessin, Gestalttherapie, Heft 1, 2007).

Für die Überprüfung der Annahme, dass sich in den untersuchten Projektfeldern jedoch auch bereits dann strukturelle Tradierungsphänomene zeigen müssten, wenn lediglich aus dem NS-Ideologiebildungsgrundbestand (Klönne) geschöpft wird, konnte ein grundbestandsorientierter Untersuchungsansatz mit vier Strukturperspektiven entwickelt werden. Mit diesem konnten die süd- und nordamerikanischen Psychomarktprojekte (Arica, Esalen etc.) hinsichtlich subtiler bzw. strukturell-faschistischer Tradierungs- und Ideologiebildungsphänomene gesichtet werden.

Um diese Annahmen zu überprüfen, wurden diese grundbestandsspezifischen Tradierungsphänomene auf sehr komplexe Weise geortet.
Es wurden nicht nur
  • grundbestandsspezifische sondern auch
  • felddifferenzierende und
  • antithetisch auslotende
Strukturperspektiven gebildet und die tradierungsrelevanten Strukturphänomene im exemplarischen Feld- und Evolutionsmissionsbezug auf den verschiedensten Betrachtungsebenen strukturell-phänomenologisch heraus gearbeitet.