Würdigung

Edition Psychotherapie und Zeitgeschichte

Moderne Erziehung zur Hörigkeit?

Die Tradierung strukturell-faschistischer Phänomene in der evolutionären Psychologieentwicklung und auf dem spirituellen Psychomarkt.
Ein Beitrag zur zeitgeschichtlichen Introjektforschung in drei Bänden.


Würdigung

Zentrale Anstöße für den Aufbau und die Quellenerschließung der Studie

Ich möchte allen danken, die mit ihren Recherchen die studienspezifische Übersichts- und Einblicknahme ermöglichten. Ohne ihre Vorarbeit wäre weder der feldexemplarische Überblick über die Vielfalt der Evolutionsglaubensphänomene im zwanzigsten Jahrhundert noch die Sichtung des darin deutlich werdenden introjektiven Strukturerhalts bzw. der sich wiederholenden Strukturmuster und deren strukturell-phänomenologische Analyse möglich gewesen.

Hier möchte ich an erster Stelle den beiden Historikern Dr. Roman Schweidlenka und Dr. Eduard Gugenberger danken. Ihre Bücher, Artikel und Unterlagen ermöglichten mir einen gegenwartsgeschichtlich recherchierten Zugang zur New-Age-Bewegung bis Ende der 90er Jahre. Von ihnen erhielt ich erste wichtige Hinweise über verdeckte Bezugnahmen auf die Ideologie des braunen Kultes in der New-Age-Bewegung und in den 90er Jahren auch zahlreiche Informationen über deren Verwebung mit der modernen Lichtreichbewegung und der esoterischen Neuen Rechten. Sie beobachteten in Österreich das Aufgehen dieser Bewegungen in einer gesellschaftlich breiten Esoterikströmung als Hintergrund für das leider immer noch aktuell zunehmende Erstarken der politischen Neuen Rechten. Damit bestätigten sie die These einer politisch bedenklichen Irrationalismusrenaissance, die Th. Ewald 1996 vor dem Hintergrund der politischen Irrationalismustradition und deren Bedeutung für die Etablierung der NS-Ideologie aufgestellt hatte.

Die Sorge um diese Entwicklung setzte bei mir die Energie frei, die nötig war, um der Frage nach der evolutionär-ideologischen Introjekttradierung/Bewusstseinsbahnung in den evolutionär-spirituell bzw. esoterisch einbindenden Mehrgenerationenfeldern auf dem Psychomarkt nachzugehen.

Herrn Dr. J. Keltsch verdanke ich umfangreiche Unterlagen und Verfassungsschutzberichte über Scientology, die es mir erlaubten, die wegen der juristischen Verfolgungsstrategien dieser Organisation gegenüber ihren „Kritikern“ angebrachte Umsicht walten zu lassen.

Herrn Prof. Dr. mult. H. Petzold möchte ich für die am Ende meiner ersten Überarbeitung des dritten Bandes erfahrene Ermutigung und für den mir großzügig zur Verfügung gestellten Schriftenfundus danken. Leider hatte ich nicht mehr die Zeit und Kraft, die nötig gewesen wäre, um einen Forschungsanschluss an den neuesten Entwicklungsstand in der Integrativen Therapie zu erarbeiten. Hierzu konnte ich allenfalls einzelne Überlegungen am Rande anstellen. Auch war es mir wichtiger, meinen Ansatz erst einmal unabhängig von Dr. Petzolds metatheoretischen Weiterentwicklungen der Perls‘chen Basiskonzepte und gesellschaftlichen Hintergrundbezugnahmen auszuentwickeln und hierfür zunächst einmal zu diesen und zu Perls‘ strukturellem Holoidbezug zurück zu kehren. Dennoch gibt es Einflüsse. So bezog ich Petzolds und Siepers Mehrperspektivenansatz mit ein und entwickelte ihn zu einem Strukturperspektivenansatz mit strukturell-phänomenologischem Feldansatz weiter (Vierfelder-Zoom mit Mehrgenerationenfeld- und zeitgeschichtlicher Felddifferenzierungsperspektive). Hierfür holte ich Dr. Petzolds an Husserls Phänomenologie angelehnten Strukturbezug aus seiner evolutionstheoretischen Weitung zurück in den Zeitgeschichtsfokus der Perls-Pioniere.
Beiden verdanke ich den psychotherapeutisch reflektierenden Zugang zur phänomenologisch prozessualen Denk- und Arbeitsebene in meinen Psychotherapieausbildungen. Am Fritz Perls Institut lernte ich dann, auf individualpsychologischer Ebene im Rahmen einer „intersubjektiven Hermeneutik“ von den Phänomenen zu den Strukturen (Petzold, Orth 1999) vorzudringen und hierzu auch nach den Strukturen hinter den subjektiven Phänomenen im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld zu fragen, um zuletzt zu den Entwürfen, die auf ihnen aufbauen, vorzudringen. Und da Psychotherapie am FPI auch als interdisziplinärer Beitrag im kulturellen Gesellschaftskontext verstanden wird, wurden hier die Fragen nach den „Ursachen hinter den Ursachen“ und nach den „Folgen der Folgen“ erneut ernst genommen („Die Mythen der Psychotherapie“, Petzold, Orth, 1999). Dieser in der Ausbildung vertiefte Ansatz und seine mehrperspektivische Herangehensweise waren mir als Soziologin vertraut. Dies machte es mir leicht, meine kritische Perspektive auf Gesellschaftsentwicklungen konsequent in die tiefenpsychologische Strukturauslotung einzubeziehen. Hierfür blieb ich in der philosophischen Tradition der kritischen Theorie, da diese zeitgeschichtlich orientiert ist. Später erfuhr ich, dass auch ihre Anfänge zu den Theoriebildungsfeldern gehörten, die in die GT-Basiskonzepte eingingen (Bocian 2000).
Die von Herrn Prof. Dr. mult. H. Petzold vertretenen Vorstellungen über „Evolution und Devolution“ werden in der Studie nicht erörtert. Dafür wird in der Studie aber eine eindeutige Abgrenzung von den Evolutions- und Devolutionskonzepten aus den theosophischen Glaubenseinflussfeldern erarbeitet. Dies geschieht verantwortungsbezogen und gibt spirituell engagierten Psychotherapeuten eine klare Orientierung. Eine ausreichend tiefgreifende Erörterung von Dr. Petzolds Evolutions- und Devolutionsbezug hätte die Angrenzung von Psychologie und Psychotherapie an die verschiedenen Wissenschaftszweige der Evolutionsforschung und deren konkrete Ergebnisse einbeziehen müssen. Hierzu wäre allerdings die Vorarbeit einer interdisziplinäre Arbeitsgruppe nötig gewesen.

Die studienspezifische Auseinandersetzung mit dem Evolutionsglauben beschränkt sich bewusst auf das untersuchte zeitgeschichtliche Evolutionsglaubens- bzw. Ideologiesegment. Ewalds Irrationalismuskriterium „Bezugnahme auf riesige Zeiträume“ (1996) bezog ich insbesondere auf die gesichtete Wissenschaftsentwicklung. Seinen Vorarbeiten (1995) verdanke ich es, dass ich in meiner Untersuchung über das politische Wiederaufleben psychagogischer Evolutionierungskonzepte im Verwebungskontext von Psychologie, Psychotherapie und programmatischen Evolutionsmissionen durchgängig eine eindeutige Position beziehen konnte. Diese macht es nun auch leichter, den kritischen Diskurs über den Einfluss des Esoterikmarktes und der modernen Evolutionsmissionen auf dem Psychomarkt bei den dort mit oder ohne Krankenkassenzulassung Tätigen anzustoßen.

Den „Strukturblick“ mit zeitgeschichtlichem Vierfelder-Zoom verdanke ich Fritz Perls‘„strukturellem Holismus“, den er im Blick auf die NS-Entwicklung in der Heimat zusammen mit seiner Frau Lore im Exil entwickelte. Ohne diesen „Distanz gewinnenden Blick zurück“ sind die emanzipativen Basiskonzepte der Gestalttherapie aber auch ihr heilsames Potenzial nicht wirklich erfassbar. Ähnliches gilt auch für die Werke von Fromm und Habermas, Adorno und Horkheimer, die für den makrosozialen Vierfelderbezug und für die Verbindung mikro- und makrosozialer Strukturaspekte in der Studie wichtig waren. Dass für den strukturell-phänomenologischen Feldbezug der Studie auch die Kategorienbildungskriterien der qualitativen Sozialforschung relevant wurden, geht auf einen Hinweis von Prof. Dr. Rolf Schwendter (2002) zurück. Alle diese Einflüsse ließen den strukturell-phänomenologischen und zeitgeschichtlich gegenstandsdefinierten Mehrgenerationenfeldansatz der Studie mit seinem dialektischen Potenzial entstehen.

Den ersten Schritt zu Kultur- und Gesellschaftsbezugnahmen in der Psychologie machte einst Freud. Sein individualpsychologischer Fokus wurde dann in den 30er und 40er Jahren von der umweltbezogenen Psychoanalyse und von Fromms Ansatz erweitert. Beide gehörten ebenfalls zu den Theoriebildungsfeldern, die in die ersten Gestalttherapiekonzepte der psychoanalytisch ausgebildeten Perls mit einflossen (Bocian 2000). Dies erklärt auch, warum die Studie so mühelos an den Weiterentwicklungen all dieser Theoriebildungsfelder anknüpfen und auch die psychologische Strukturperspektive der Studie die heute immer noch tiefen „schulenspezifischen Gräben“ überqueren konnte. Letzteres wurde auch durch die themenfokussiert bleibende strukturell-phänomenologische Herangehensweise im zeitgeschichtlichen Hintergrund-/ Tradierungsbezug erleichtert. Dieser entstand als soziogenetischer Blick auf die Epidemiologie psychischer Erkrankungen in der modernen Industriegesellschaft (Daecke 1972) im Soziologiestudium und wurde dank der 68er-Bewegung erstmals zu einem „Blick zurück“. Dieser forderte mich dazu auf, die in Kerstin Roesslers Artikel „Gestalttherapie und Geschichte“ (GT 1/99) gestellte Frage nach den NS-Introjekten aufzugreifen und ernst zu nehmen. Petzolds „Narrativen“ entspricht hierbei der Struktur(erhalt)ungs- und Grundbestandsbezug.

Bei der Beantwortung der Introjektfrage halfen mir zahlreiche zeitgeschichtlich tiefenpsychologische Aspekte aus der Arbeit von A. Eckstaedt (1992, Frankfurter Psychoanalyse Institut). Die Introjekttradierungsperspektive der Strukturanalyse wurde aber auch durch meine praktische Arbeit mit meinen Klienten vertieft, denen ich an dieser Stelle ebenfalls danken möchte.
Seit Beginn der 90er Jahre kamen zahlreiche Geschädigte aus den modernen Evolutionsmissionen in meine Gestalttherapiepraxis. Dies erforderte eine fortlaufende Kenntniserweiterung über die betreffenden Psychomarktprojekte, die auch die tiefenpsychologische Wahrnehmung auf theoretischer und praxeologischer Ebene bereicherte. Ein hoher Prozentsatz dieser Klienten hatte ein NS-Thema im Familienhintergrund.

Frau Prof. Dr. Jost (Lehrstuhl für feministische Theologie der evangelischen Kirche an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau) danke ich für die Ermutigung, die feministische Forschungsperspektive („f“-Perspektive) zu berücksichtigen. Sie ist in allen drei Bänden mit der glaubens- und ideologiegeschichtlichen Grundbestandsperspektive der Studie verbunden.