Die glaubensgeschichtliche Strukturperspektive

Edition Psychotherapie und Zeitgeschichte

Moderne Erziehung zur Hörigkeit?

Die Tradierung strukturell-faschistischer Phänomene in der evolutionären Psychologieentwicklung und auf dem spirituellen Psychomarkt.
Ein Beitrag zur zeitgeschichtlichen Introjektforschung in drei Bänden.


4. Die glaubensgeschichtlichen Strukturperspektiven

In Band 1 wird der glaubensgeschichtliche Grundbestand strukturell-faschistischer Ideologiebildungs- und Tradierungsphänomene herausgearbeitet. Da die Theosophie bis heute das Entstehen eines sozialdarwinistischen Evolutions- und spirituell-zivilisatorischen Wurzelrasseglaubens begünstigt und diesen strukturell tradiert, wird auf die Theosophiebewegung und ihren manichäischen Glaubenskern eingegangen. Hierzu wird die Glaubenslegende des nahezu alle Religionen vereinnahmenden Manichäismus (S. 130 - 162) näher untersucht und auf die darin angelegten Initiations-, Identitätswende-, Blend- und Licht-Dunkelkampf- bzw. Spaltungsmuster, Instrumentalisierungs- und Expansionsmuster aufmerksam gemacht. Es werden aber auch die mit diesen Strukturen verbundenen, totalitären und lebensfeindlichen Entwicklungsdynamiken herausgearbeitet, was in Anlehnung an Strohm (Die Gnosis und der Nationalsozialismus 1997) geschieht. Wegen der Untersuchungsrelevanz dieser Ideologiebildungs- und Tradierungsstrukturen wird auf die Theosophie (Blavatsky S. 163 - 177) und auf die Weitergestaltung manichäischer und theosophischer Strukturen in den verschiedenen Theosophievarianten geachtet. Hierzu wird auf Lists und Liebenfels' Ariosophie und das darauf Bezug nehmende neoarmanische und neogermanische Ordensspektrum, auf Steiners Anthroposophie, Ballards nationalistische "I Am Religious Activity", auf Crowleys Psychosophie und seinen neosatanistischen Thelema-Orden, auf Gurdieffs Zahlenmystik, Mensch-Maschinen-Lehre und Lehrpraxis der "Vier Wege" sowie auf Baileys Theosophie mit ihrem "Lucis Trust" (S. 178 - 274) eingegangen. Darüber bildet sich eine glaubensgeschichtliche Strukturperspektive auf Totalitätsentwicklungsdynamiken heraus, die auch für die tiefenpsychologische Strukturperspektive wichtig wird.
Für die strukturell-phänomenologische Differenzierung im Tradierungs- und Gefahrenbewertungsbezug war die Unterscheidung der wichtigsten Pilotprojekte des untersuchten Psychomarktsegments nach der Bedeutung der genannten Theosophievarianten für ihre WEGführungsangebote wichtig.
Damit interessierten Theosophievarianten, die:
  • in das neokeltische, neogermanische und neochristliche Findhorn-Netzwerk mit seinen Psychagogen Trevelyan, Peter und Eileen Caddy und Spangler eingingen, da diese die Wende ins Neue Bewusstsein europaweit beeinflussten;
  • in den neoguruistischen Erziehungsmissionen der Transzendentalen Meditation, der Brahma Kumaris Spiritual World University und der Bhagwan-Ashrams eine wichtige Rolle spielten, da sie auch für die östlich-westliche Spiritualitätssuche auf dem Psychomarkt wichtig waren;
  • in die neoarmanischen, neoschamanistischen und neotantrischen WEGfüh-rungsangebote des für die Expansion der Transpersonalen Psychologie so wichtigen Medizinrad-Imperiums eingingen (Swift Deer, Keyserling, Halifax u.a.);
  • in die neosatanistischen bzw. psychosophischen und neobuddhistischen Angebote des spirituellen Psychomarktes einflossen (Swift Deer, Hubbards und Mscaviges Scientology (siehe hierzu Haack 1995) etc.);
Diese Theosophievarianten bestimmten die Spiritualität in der New-Age- und New-Era-Bewegung und auf dem von diesen modernen Evolutionsmissionen beeinflussten Psychomarkt (S. 275 - 344).
Hierbei wird bereits begrifflich (hermeneutisch strukturverweisend) auf die gesellschaftssystemische, glaubens- und ideologiegeschichtliche sowie psycho- und soziodynamische Strukturphänomenologie des solaren (d. h. vom theosophischen Sonnenlogosglauben beeinflussten) Führerschafts-Gefolgschafts- und Guruismusphänomens hingewiesen.
Daraus entsteht eine erste politische Perspektive auf den in allen Projekten wahrgenommenen, evolutionär-psychagogischen Abwehr-, Vereinnahmungs- und Identitätsumbildungsmodus (Tai-Chi-Modus).
Es wird heraus gearbeitet, dass dieser auf fünf neomanichäisch tradierten, evolutionär-narzisstischen Identitätsdekonstruktions- und Neuausrichtungsstufen introjeziert wird, die auch für die NS-Ideologieschmiede relevant waren.
In Band 1 werden diese durchgängig im untersuchten Glaubens- und Psychagogikfundus der New-Age-Bewegung gesichtet.

In Band 2 werden diese für die New-Era-Bewegung genauso durchgängig gesichtet. Zunächst jedoch wird hier auf der Grundlage des Erarbeiteten Maslows transpersonaler Selbst- bzw. Intentionalitätsbegriff und sein Einfluss auf die Entwicklung der Humanistischen Psychologie zur Transpersonalen Psychologieentwicklung dargelegt und die wichtigsten transatlantischen Psychomarktprojekte der New-Age-Bewegung gesichtet.
Hierzu wird der von Kalifornien aus expandierende westlich-östliche Ashram Esalen mit seinem psychedelisch-spirituellen Anfang vorgestellt und kritisch reflektiert, dass die Humanistische Psychologiebewegung und die Gestalttherapie von hier aus expandierten. Der spirituelle Selbstbezug ließ nämlich beide im Höherwertigkeitsanspruch hinter sich und setzte sich über den Siegeszug der Transpersonalen Psychologiebewegung auf dem deutschsprachigen Markt durch. Von Esalen kamen auch der Enneagramm- und Enlightmentansatz aus Ichazos, Presteras und Naranjos Arica-Projekt (Gurdieff), Grofs Rebirthing mit seiner Spiritualisierung des Vorgeburtlichen und seinem karmischen Selbstbezug oder Wheelers Programmatik einer spirituellen Wende ins "Neue Bewusstsein" (S. 81 - 154) auf den deutschen Psychomarkt.
Im Blick auf deutsche Initialprojekt wird auf das Rütte-Projekt und auf den evolutionär-spirituellen Entwicklungsweg ihrer Gründer eingegangen. Hierzu wird Dürckheims gralsgnostische Familientradition und sein autoritätswahrender, absoluter Gewissensbezug auf eine spirituelle Initiations- und Weisungsinstanz erörtert sowie sein spirituell-innerweltlicher und -außerweltlicher Grund- und Evolutionierungsbezug auf ein "europäisches Satori" (Evola) vor dem Zeitgeschichtshintergrund dargelegt und reflektiert.
Hierbei werden alle Anpassungsleistungen Dürckheims an die gerade gängigen Evolutionsmissionen kritisch mitgesehen (S. 166 - 228) und die Tradierungs-und Werterhaltungsfunktion seines gralsgnostischen Verarbeitungsmodus erörtert.
Um das Angebotsspektrum Rüttes glaubensgeschichtlich weiter auszuloten, wird auch Hellingers patriarchalisches und sich transgenerationell und transpersonal durchsetzendes Sippengewissen (S. 245 - 260) sowie Wilbers evolutionistischer Entwicklungsordnungs-, Selbst- bzw. (hierophantischer) Opferbezug mitsamt seinem absoluten Geschichtsentwicklungs- und spirituellen Evolutionskonzept (S. 261 - 287) dargelegt und vor dem zeit- und ideologiegeschichtlichen Hintergrund erörtert (S. 307 - 312).

Die glaubensgeschichtliche Strukturperspektive (aus Band 1) verweist auch auf die wichtigsten okkultistisch-spirituellen Glaubens- und Entwicklungsmodelle der scientologischen Evolutionsmission und in welchen Strukturebenen diese zum Ausdruck kommen (S. 324 - 362, 380 - 391). Dies lässt auch die evolutionär-spirituellen und -philosophischen Bezugnahmen in Szasz' Belehrungsprojekt kritischer wahrnehmen.

In Band 3 wird versucht, die Bedeutung der in Band 1 und 2 erarbeiteten glaubensgeschichtlichen Struktur- und Differenzierungskriterien für die Tradierung einer strukturell-faschistischen Bewusstseins-, Identifikations- und Identitätsbildung zusammenzufassen und tiefer zu durchdringen (S. 264 - 300). Die im okkultistischen Ordens- und Theosophievariantenbezug erarbeiteten, glaubensgeschichtlichen Strukturdifferenzierungen dienen nun auch einer zusammenfassenden Gefahrenbewertung.
Hierfür sind sowohl das Ausmaß der Verdrehung vormaliger Identifikationen, Glaubens- und Wortsinnbezugnahmen als auch die radialen Wirkungsfolgen der feldoperationalen Redefinitionsstrategien von Bedeutung (359 - 364, 735).
Die glaubensgeschichtlichen Strukturperspektiven lassen insgesamt die aus dem gesichteten Glaubensfundus entstandenen und
  • so als solar-spirituell und gralsgnostisch erkennbar werdenden Psycho- und Soziodynamiken feldübergreifend herausarbeiten (S. 300 - 323, 732);
  • die gehäuft auftretenden Glaubensstrukturfaktoren genauso ernst nehmen wie die feldsozialen psycho- und soziometrischen Strukturfaktoren und beide hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Entstehung strukturell-faschistischer Phänomene abwägen (S. 90 - 112, 373 - 579, 733).
Diese Strukturperspektive ließ "solare Identitätsbildungs- und Tradierungsstrukturen" mit manichäisch tradierter Licht-Dunkel-Polarisierung wahrnehmen und diese feldübergeifend nachweisen, was die tiefenpsychologische Perspektive auf narzisstische Introjekt- und Tradierungsphänomene im gesichteten Missions- und Psychomarktfeldspektrum glaubens- und ideologiegeschichtlich unterfüttert (S. 733, 735).

Die Strukturperspektive auf manichäische Grundmuster ließ zuletzt nicht nur die in fünf Stufen angelegte Erzeugung einer feldspezifisch ausgestaltet bleibenden Unterwerfungs- und Gotteskriegeridentität wahrnehmen, sondern auch die Typologie der evolutionär-spirituellen "Psychologie der Verführung" und damit die Feldeinbindungsstile / Blendungs- / Hypnosstrukturen der studienrelevanten Evolutionsmissionen typologisieren (S. 732, 739).

Hierzu werden fünf manichäisch tradierte Abwehrkollusions- und (Gotteskrieger-)Missionseinbindungskomplexe bzw. fünf solarnarzisstische Formen von Spiegel- bzw. Instrumentalisierungssymbiosen im evolutionär-wendeorientierten Kampf- und Totalitätsbezug herausgearbeitet (S. 105, 181 f, 248 f, "solar-gnostischer Strukturkomplex" S. 727, 739, 747).

Der hierfür zentrale Erkenntnisbezug auf den strukturell-manichäischen Glaubenskern im kosmisch-spirituellen Glaubensspektrum aller gesichteten Evolutionsmissionen und untersuchten Psychomarktprojekten ließ auch feministische Perspektiven entstehen. Diese ermöglichten es, die Folgen für die Emanzipation von patriarchalen Herrschaftsmustern zu erörtern und die spirituelle Erziehung ins Neue Bewusstsein im Eros- und Thanatosbezug (Fromm 1977) der Studie auszuloten (S. 100 - 112).

Die "f"-Perspektiven der Studie umfassen eine herrschaftskritische Gender- und Strukturperspektive und eine feministische ideologie- bzw. patriarchatskritische Perspektive aus der einstmals politischen, feministischen Bewegung (S. 725 f). Die bislang bekannten feministischen Perspektiven aus Wissenschaft und Politik werden durch die aus der glaubensgeschichtlichen Strukturperspektive entstandenen "f"-Perspektiven der Studie enorm bereichert, da diese eine manichäisch tradierte Struktur der narzisstischen Persönlichkeitsbildung erschließt (fünf Stufen der evolutionär-programmatischen Identitätsumbildung), welche die politisch herrschaftskritischen Frauen und Männer nicht nur entpolitisierte, sondern auch ins hierarchische Herrschafts(ordnungs)denken zurückführte.
Die feministischen Strukturperspektiven auf patriarchale Totalitäts- und Herrschaftsstrukturen sind gegenstandsverankert und werden felddifferenziert erörtert. Sie bereichern die feministische Forschung in den Humanwissenschaften.

Das Zusammenwirken der 4 grundbestandsorientierten Strukturperspektiven mit der 8. felddifferenzierungsorientierten Strukturperspektive ermöglichte nicht nur eine Tiefenauslotung tradierungsrelevanter Feldstrukturphänomene, sondern legte auch den gegenstandsgeankerten Anschluss entwicklungs- und tiefenpsychologisch sowie sozialisationshistorisch auslotender Strukturperspektiven nahe.
Insbesondere der magisch gralsgnostische und solarnarzisstische aber auch der autoritätshörige und abhängigkeitswahrende (Um-)Erziehungsstil, den die glaubens- und ideologiegeschichtlichen und die gesellschaftssystemischen und felddifferenzierungs-orientierten Strukturperspektiven offen legten, deuteten auf einen durchgängigen Nutzbezug auf regressive und konfluente Abwehrstrukturen hin. Dies ließ nach den entwicklungspsychologischen und sozialisationshistorisch bedingten Defiziten und deren feldspezifische Nutzung fragen.

Dies geschieht in Anlehnung an Perls' kategorialen Wahrnehmungs- und Differenzierungsbezug im Sichtungsbezug auf Irrationalimusstrukturen (Band 3, S. 172, 203, 206, 316 - 320) und über (ebenfalls an Perls angelehnte)
  1. antithetische Bezugnahmen auf die Pole "Denken - Glauben"
  2. antithetische Bezugnahmen auf die Pole "rigide leistungsfixiert (Leistungsprinzip) - hedonistisch ekstatisch (Lustprinzip)" und
  3. antithetische Bezugnahmen auf die Pole "Binden - Lösen", welche die im Untersuchungsfeld angewendeten Konfluenztechnologien wahrnehmen und bewerten ließen.
Die antithetische Bezugnahmen auf die Pole "Denken - Glauben" lenken die Aufmerksamkeit hierzu auf erlernte bzw. identifikatorisch übernommene, irrationalistische und entdifferenzierende Wahrnehmungs- oder Konfluenzstrukturen im idealtypischen Ganzheitsbezug und auf damit verbundene, in magisch-regressive Denk- / Zuordnungsmuster führende Wirkmacht- und Ordnungsvorstellungen. Die antithetische Bezugnahmen auf die Pole "rigide leistungsfixiert (Leistungsprinzip) - hedonistisch ekstatisch (Lustprinzip)" legen entwicklungs- und tiefenpsychologische Perspektiven auf Forderungs-, Interessen- und Abwehrstrukturbildungen im vierfachen Feld-Hintergrund-Vordergrundbezug und auf deren evolutionsmissions- und feldspezifische Nutzung nahe (evolutionär-psychologischer /-psychagogischer Handlungs- und Bedürfnisbezug). Die antithetische Bezugnahmen auf die Pole "Binden - Lösen" lassen nach dem abwehrbezogenen Bedürfnisbefriedigungsbezug und dem realen Hilfs- und Entwicklungsförderungspotenzial der Psychomarktangebote und damit nach dem realen Nachentwicklungs- und Individuationsförderungsansatz fragen.